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Rewsen | Beiträge: 3163
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« am: 13. Dez 2007, 09:23 » |
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Uli ist Deutsch-Italiener und ein ehemaliger Guerrillakämpfer, der sich von Mai 1993 – Ende 1994 der Guerilla in Kurdistan anschloss. Er ist eine der Stimmen, die Yüksel Yavuz in seinem Film „Close up Kurdistan“ zu Wort kommen lässt.
Uli, danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast für unser kurzes Gespräch. Wir haben uns den Film „Close up Kurdistan“ angesehen. Ich war sehr begeistert von Yüksels Arbeit. Wie findest Du den Film? Was ist Deiner Meinung nach die Aussage des Films?
Das Konzept des Dokumentarfilmes von Yüksel Yavuz zum türkisch – kurdischen Konflikt ist sehr anerkennenswert, da er es sich zur Aufgabe gemacht hat, die unterschiedlichsten Personen, die darin involviert waren, zu Wort kommen zu lassen. Er hat es jedoch versäumt, diese Priorität im Zusammenschnitt des Gesamtmaterials auch als solche eindeutig zu benennen. Daher ist für mich auch nachzuvollziehen, dass ihm in privaten Gesprächen, die ich geführt habe, vorgeworfen wurde, er bediene sich eines ungemessenen Neutralismus. Man sollte jedoch generell nicht allzu voreilig die Motive anderer Menschen in Zweifel ziehen und bedenken, dass der Regisseur ein teilweise immenses persönliches Risiko auf sich nahm, um diesen Film zu drehen. So würde es mich auch nicht verwundern, wenn dieser in der Türkei umgehend auf dem Index verbotener Filme landet und ein Strafverfahren wegen „separatistischer Propaganda“ und / oder „Beleidigung der türkischen Republik“ gegen den Regisseur eingeleitet wird.
Denkst Du, man hätte an diesem Film etwas besser machen können. Fehlen Dir noch Dinge, die benannt hätten werden sollen?
Wie allseits bekannt sein dürfte, ist dieser Konflikt nicht erst mit dem Aufkommen der PKK und dem Militärputsch von 1980 entstanden. Die Wurzeln dazu sind im Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und den katastrophalen Auswirkungen, die der erste Weltkrieg für den gesamten Nahen Osten mit sich brachte, zu suchen. Damals wie heute ist auch die internationale Staatengemeinschaft nicht unwesentlich mitschuldig daran, dass in dem heutigen Kernland des damaligen Osmanischen Reiches, der heutigen Türkei, seit über 100 Jahren millionenfach gemordet, gebrandschatzt und vergewaltigt wird.
Diese überaus wichtigen zeitgeschichtlichen Aspekte, ohne die die heutigen Zustände kaum zu verstehen sind, werden in dem Dokumentarfilm aber nur sehr peripher angeschnitten.
Was ich in diesem Film als völlig inakzeptabel bewerte, sind Soldaten türkischer Spezialeinheiten und kurdische Guerillas, die in einem Atemzug Stechschritt marschierend gezeigt werden. Somit wird den nicht sehr bewanderten Zuschauern suggeriert, dass der kurdischen Widerstand mit dem türkischen Militarismus gleichzusetzen bzw. zu verurteilen ist. Der Einsatz derartiger Mittel, in der Informationstheorie auch als Semantik bekannt, ist vor allem in der psychologischen Kriegsführung zur Aufstandsbekämpfung gebräuchlich, um entsolidarisierende Effekte zu bewirken und gezielte Desinformation zu betreiben.
Die Schuld der türkischen Militärs und Politiker, die so viel unendliches Leid gegenüber den eigenen Staatsbürgern verursachen, wiegt ungleich schwerer als alle Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die die PKK seit ihrer Gründung insbesondere gegenüber den eigenen Leuten zweifelsohne begangen hat. Wer es also für notwendig erachtet, die PKK zu kritisieren, der sollte auch die dementsprechenden Gründe geltend machen, anstatt zu illegitimen Mitteln zu greifen. Auch ist festzuhalten, dass die Aussage allein, „ Unter diesem Krieg leiden alle “ sehr fragwürdig ist und nichts zum besseren Verständnis beiträgt.
Was hältst Du von der Kritik an dem Film, dass er zu einseitig sei?
Eine derartige Kritik habe ich z. B. in der Presse nicht wahrgenommen. Alles was bisher zu lesen war, ist in einem erstaunlicher weise sehr fairen und akzeptablen Rahmen gehalten.
Selbst wenn eine solche Kritik von welcher Seite auch immer formuliert werden würde, so wäre diese für meine Begriffe absolut bedeutungslos, da Menschen, die die Folgen von menschenverachtender Regierungspolitik zu ertragen haben, keineswegs zur Objektivität verpflichtet sind.
Uli, wie bist Du zu dem Film gekommen? Wie hat Yüksel Dich gefunden?
Die kurdische Diaspora ist heute äußerst dynamisch, agil und kommunikativ. Wenn man sich finden und treffen will, so ist dies auf den unterschiedlichsten Wegen jederzeit möglich. Da meine Kontakte zu kurdischen Menschen zu keinem Zeitpunkt abgebrochen sind, seitdem ich wieder in der BRD bin, war es auch für den Regisseur kein Ding der Unmöglichkeit mich zu fragen, ob ich zu einem Filminterview bereit wäre. Nach einem eingehenden Gespräch wurde für mich sehr schnell deutlich, dass die Intensionen von Yüksel Yavuz meinen eigenen Prinzipien nicht widersprechen, weshalb ich auch gerne bereit war, meinen Teil zur Realisierung seines Konzeptes beizutragen.
Warum hast Du Dich der Guerilla-Bewegung angeschlossen und wie hast Du Deine Zeit bei der Guerilla erlebt? Wie kann man sich ein Leben dort vorstellen? Und was hast Du dort für Dich gelernt?
Damals, in der Zeit der Newrozmassaker von 1992, und den sich häufenden Berichten von deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, entwickelte sich auch in Europa eine teilweise dramatische Dynamik, die mir nur allzu lebhaft in Erinnerung ist. Die kurdische Diaspora und ihre politischen Forderungen, die auf den größten Demonstrationen der Nachkriegszeit laut wurden, waren für niemanden mehr zu überhören.
Doch das damalige Verhalten der Bundesregierung entsprach exakt dem, was die deutsche Politik „ in guter alter Tradition “ seit General Moltke im Nahen Osten mit stets wechselnden Rechtfertigungen praktiziert – der Tod erwies sich für die Kurden also wieder einmal auch als ein Meister aus Deutschland.
Dem selbstgerechten deutschen Establishment nicht zu widersprechen war für mich undenkbar. Denn ich hatte auch schon damals eine über die Jahre gewachsene, sehr starke Bindung an kurdische Menschen, die mich dazu veranlasste, die Dinge sehr genau zu hinterfragen und Antworten darauf zu finden. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese nur vor Ort zu erhalten sind.
Mein Entschluss mich der kurdischen Guerilla anzuschließen, war indes nicht von ideologisch überfrachteten Motiven geprägt. Mir war es in aller erster Linie wichtig, die Realitäten vor Ort im Maßstab 1:1 kennen zu lernen und die Umsetzung dieses Vorhabens war ausschließlich innerhalb der Guerilla machbar.
Da ich mit sehr wenigen Illusionen und naiven Vorstellungen von wegen Guerillaromantik in die Berge gegangen bin, ist mir die Gewöhnung an das in allen Belangen extrem harte Leben dort auch nicht sonderlich schwer gefallen. Diese Zeit meines Lebens hat mich natürlich sehr geprägt und ich kann sagen, dass ich eigentlich erst in Kurdistan erwachsen wurde und der Prozess des Erwachsenwerdens kann bekanntlich äußerst schmerzhaft sein.
Die Einsichten, die ich dort gewonnen habe, lassen sich nicht so ohne weiteres zwischen Tür und Angel darlegen. Was mich jedoch bis heute maßlos zornig macht, ist der Umstand, dass die internen Missstände der PKK und die ideologisch bedingte, völlig verantwortungslose Selbstüberschätzung der eigenen Kraft dazu geführt haben, dass der Befreiungskrieg in Nordkurdistan letztendlich eine gravierende Niederlage aus eigenem Verschulden erlitten hat. Die unmittelbare Folge davon war, dass die PKK in Südkurdistan zu einer Bürgerkriegspartei mutierte, und sie hat es ausschließlich dem Wohlwollen der KDP und der PUK zu verdanken, dass sie während des letzten Irakkrieges nicht eliminiert wurde.
Wie siehst Du die aktuelle Situation in Kurdistan und wie könnte Deiner Meinung nach eine dauerhafte politische Lösung zur Beendigung des Konfliktes aussehen?
Der gordische Knoten ist der Legende nach nur mit dem Schlag eines sehr scharfen Schwertes zu lösen, so auch die unaufhörlichen Konflikte um Kurdistan. Dazu müsste die internationale Staatengemeinschaft und die UNO als Rechtsnachfolgerin des Völkerbundes jedoch bereit sein, gegenüber drei Nationalstaaten (Türkei, Syrien, Irak) aufzutreten, um die Vertragsbestimmungen von Sevres aus dem 1920 umzusetzen. (Selbst dann bliebe noch die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der iranischen Kurden unbeantwortet.)
Dies ist jedoch nach menschlichem Ermessen völlig ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist zukünftiges Kriegsgeschrei um Kurdistan auch für die Zukunft geradezu vorprogrammiert und es bleibt zu hoffen, dass zumindest die politisch Verantwortlichen in Südkurdistan alle verfügbaren Möglichkeiten nutzen, um sich unangreifbar zu machen.
Die aktuellen Ereignisse der letzten zwei Monate zeigen in aller Deutlichkeit, dass es um die relative Ruhe in Südkurdistan sehr schlecht bestellt ist. Es ist mit großer anzunehmender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die türkischen Truppenkontingente noch in diesem Winter in Südkurdistan zuschlagen werden, aber für die Zeit nach der Schneeschmelze sind alle möglichen Szenarien denkbar.
Dass die Eliminierung der PKK nur ein Vorwand zu weitaus ambitionierteren Zielsetzungen seitens des türkischen Generalstabes ist, pfeifen selbst schon die Spatzen in der BRD von den Dächern – das große Etappenziel der türkischen Generäle heißt Kerkuk und die benachbarten Ölfelder.
Und wie weit diese zu gehen bereit sind, zeigen die Anschläge gegen die yezidische Zivilbevölkerung in Şengal vom 14.08.2007, die Hunderte von Todesopfern verursachten. Bisher ging man stets davon aus, dass diese grausame Bluttat Al Quaida – nahe Gruppen zu verantworten haben, aber mittlerweile zirkuliert im Internet dazu ein Bekennerschreiben der so genannten „ Türkischen Rachebrigaden “, denen schon seit Jahren eine sehr enge Verbind-ung zum türkischen Geheimdienst MIT und hochrangigen Militärs nachgesagt wird. Dass es dabei nicht nur um verzweifelte Erklärungsversuche handelt, zeigt die Tatsache, dass die Anschläge ein stark bebautes Gebiet von 1 qkm (!) dem Erdboden gleichmachten. Dies weist darauf hin, dass die Täter über Hochexplosivsprengstoffe verfügten, die in derartig großen Mengen ausschließlich aus Armeebeständen stammen können.
Vielen Dank für Deine Einschätzung zum Film und der aktuellen Lage, Uli.
Auch ich bedanke mich für das rege Interesse von Kurdmania.
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Gotina rast sondê naxwaze
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Miro | Beiträge: 1094
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« Antworten #2 am: 14. Dez 2007, 15:37 » |
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Rewsen hat sich weidermal selbst übertroffen 
sorry rewshee, möchte dein thread zwar nicht zum diskussionsthema verwandeln, aber eins muss ich noch loswerden, da einiges so nicht stimmen kann, wie uli cekdar meinem ermessens nach darstellt!
Die Einsichten, die ich dort gewonnen habe, lassen sich nicht so ohne weiteres zwischen Tür und Angel darlegen. Was mich jedoch bis heute maßlos zornig macht, ist der Umstand, dass die internen Missstände der PKK und die ideologisch bedingte, völlig verantwortungslose Selbstüberschätzung der eigenen Kraft dazu geführt haben, dass der Befreiungskrieg in Nordkurdistan letztendlich eine gravierende Niederlage aus eigenem Verschulden erlitten hat. Die unmittelbare Folge davon war, dass die PKK in Südkurdistan zu einer Bürgerkriegspartei mutierte, und sie hat es ausschließlich dem Wohlwollen der KDP und der PUK zu verdanken, dass sie während des letzten Irakkrieges nicht eliminiert wurde.
uli cekdar wirds zwar "besser" wissen, weil er selbst vor ort war und aus eigener erfahrung spricht, aber wir wissen doch auch, dass nicht pkk sich zum ziel erklärt hatte, die beiden großen bewegungen in südkurdistan zu eliminieren sondern diese beiden parteien haben zusammen mit der türkei die pkk vernichten wollen und das in einem stil, den man kaum entschuldigen kann, weil auf beiden seiten nur kurden starben und der türke sich mit einem schlag über zwei fliegen freuen konnte!
und die andere behauptung von ihm "und sie (pkk) hat es ausschließlich dem Wohlwollen der KDP und der PUK zu verdanken, dass sie während des letzten Irakkrieges nicht eliminiert wurde." halte ich für bedeutungslos, weil es nicht nachvollziehbar ist, wie er solch eine these aufstellt und ganz logisch erscheint mir seine these auch nicht, da sich die amis nicht pkk wegen ins krieg begeben haben und auf dem weg nach bagdat auch mal eben qandil dem erdboden gleich zu machen und pkk zu vernichten halte ich für weit hergeholt und die türken waren zu damaliger zeit ebenfalls nicht imstande so etwas aus eigener kraft zu tätigen! somit schuldet er uns eigentlich eine antwort. schade das er nicht hier ist, um vlt.. darauf zu antworten bzw.. uns aufzuklären.
nochmal herzlichen dank für deine mühe 
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